Gesang von Seele zu Seele



Aargauer Zeitung 25.1.2005



Villnachern Clara Moreau verzauberte mit ihrer eindringlichen Stimme und ihrem Charme. (von Peter Belart)

Diesen Abend wird niemand der vielen Anwesenden so schnell vergessen. Clara Moreau erreichte mit ihrem Gesang nicht nur das Gehör, sondern gleichsam das Innerste der Menschen.



Der Mut des Dorfvereins Villnachern wurde belohnt. Noch wenige Wochen vor dem Konzert hatte sich Präsident Peter Kamber Sorgen gemacht: "Hoffentlich kommen die Leute auch. Es ist schon ein gewisses Risiko, eine Veranstaltung von dieser Grössenordnung in Villnachern anzubieten." Gemeint hatte er die Chanteuse Clara Moreau, eine Sängerin, die mit ihrer Stimme und ihrer unglaublichen Interpretationskraft an vielen Dutzend Konzerten im In- und Ausland für Furore gesorgt hatte. Doch Kambers Sorgen erwiesen sich als unbegründet. Die Leute kamen in Scharen, auch aus einer weiteren Umgebung. Und sie sollten ihr Kommen nicht bereuen!


Le temps passe si vite



Gegeben wurde das Konzert im Mehrzweckraum. Ein eher nüchterner Rahmen, nicht schmucklos, aber doch Ausdruck der Multifunktionalität: weisse Wände, Holz in der Dachschräge, Plattenboden, Stühle, Kugellampen, Klappbühne. Und in diese Umgebung stellte sich Clara Moreau, ohne Pathos, ohne Überheblichkeit, ohne "Ich-bin-etwas-Besonderes-Gehabe". Unterstützt von drei ebenso diskret wie gekonnt agierenden Begleitmusikern entfaltete sie nach einem herzlichen Lächeln ihre Stimmgewalt. "Gewalt" meint hier nicht etwa Lautstärke, sondern verblüffende Modulationsfähigkeit. Bei der Interpretation französischer Chansons und spanischer Canciones gelang es ihr scheinbar mühelos, die Textinhalte aufzunehmen und sie - im Einklang mit der Melodie - so vorzutragen, dass deren Atmosphäre auch dann spürbar wurde, wenn die fremdsprachigen Ausdrücke einen direkten Zugang verwehrten. "Keine Angst, die Franzosen verstehen das auch nicht alles", sagte sie und setzte zu Liedern etwa von Georges Brassens, Jacques Brel, Léo Ferré oder Serge Gainsbourg an.

Mit ihrem ganzen Körper "sang" Clara Moreau diese Strophen, diese Texte von bedeutenden französischen Autoren; ihre Vortragsweise zog alle Anwesenden in den Bann. Pathetische Passagen liess sie nicht zu Kitsch verkommen, sondern fand auch hier ein Augenzwinkern, das dem französischen Savoir vivre so sehr entspricht. Die leise Melancholie der immer wieder auftretenden Moll-Passagen entschärfte sie mit einem Blick, der zu sagen schien: "Na, da haben wir der Vergänglichkeit wieder einmal ein Schnippchen geschlagen."

Die Menschen wurden zum Träumen aufgefordert, und so öffneten sich die weissen Wände des Mehrzweckraums, und man fand sich wieder in einer Welt, die auch Raum für Heiterkeit hat, für Lebensfreude. "Le temps passe si vite", sang Clara Moreau. Wie wahr: Die Zeit verstrich wie im Fluge! - Die Seele liess sich anrühren.