Engadiner Post, 18.1.2005



Französischer Charme im Silser Hotel Waldhaus


Chansons von Boris Vian bis Serge Gainsbourg



"Clara Moreau et son orchestre" brachten am Freitagabend die Frankophonie ins Engadin. Die Pariser Sängerin und ihr Ensemble brillierten mit einem Querschnitt durch die Welt des französischen Chansons.

mcj. Man nehme eine Hotel-Bar, lasse sie mit bis zu 100 Plätzen bestuhlen und lade die Sängerin und Akkordeonistin Clara Moreau samt Begleitmusikern ein. Der Abend hat sehr gute Chancen, zum Erfolg zu werden. So geschehen am letzten Freitagabend im Hotel Waldhaus von Sils, wo eine erstklassige Interpretin des französischen Chansons auftrat.
Clara Moreau wusste von Beginn des Konzerts weg ihr Publikum, das nicht eigentlich französischer Muttersprache war, mit ihrem Auftritt zu fesseln. Gab sie doch bei ihrem Rundgang durch fünf Jahrzehnte französische Chansons vor allem Evergreens zum Besten, die fast jeder irgendwann mal gehört hat. Auch wer die Texte von "La Bohème" von Charles Aznavour oder "Monsieur le Président" von Boris Vian nicht auswendig wusste oder nur in groben Zügen verstand, konnte die eingängigen Melodien, die um die Welt gingen, zumindest mitsummen oder beim Refrain mitsingen. Mit theatralischer Mimik und Gestik verstand es die temperamentvolle Pariser Sängerin zudem, den Liedern, die von Weltschmerz und Herzeleid erzählen und die Freuden und Nöte des kleinen Mannes besingen, zu einer eindrücklichen musikalischen Präsenz zu verhelfen.
Dass ein Hauch Pariser Leben durch die Waldhaus-Bar wehte, war aber vor allem der Stimme der Chansonnière zu verdanken, einer leicht angeraut klingenden Stimme in Mezzosopran-Lage, die Moreau geschmeidig bei ihren sehr individuellen Interpretationen einzusetzen wusste. Mal klang sie dramatisch klagend wie in "La Bohème" von Charles Aznavour, mal rebellisch kratzend, wie im Chanson "Le déserteur" von Boris Vian. In gewissen Chansons schwang das Tremolo einer Edith Piaf mit, in anderen Liedern kam die spöttische Häme eines Jacques Brel voll zur Geltung.
Sehr zum Gelingen des Abends trugen auch die sparsamen Arrangements bei. Clara Moreau begleitete sich zeitweilig selbst auf dem Akkordeon, das besonders bei Musette- und Java-Stücken den Schwung ihres Vortrags unterstrich. Ihr zur Seite standen während des zweistündigen Konzerts auch drei exzellente Musiker. Marino Bernasconi (Piano), Andreas Ochsner (Cello) und Mario Marchisella (Percussion) bestachen durch ihre zurückhaltende Be-gleitung. Der emotionalen Interpretation der Chansonnière setzten die Profimusiker mit klassischer Ausbildung einen eher coolen, jazzigen Sound entgegen, der überraschend gut mit dem Vortrag der Protagonistin harmonierte.
Nicht nur Kompositionen eines George Brassens, Léo Ferré, Serge Gainsbourg, Mouloudji, Jacques Dutronc oder von Edith Piaf waren an diesem Konzertabend zu hören. Clara Moreau, Tochter eines französischen Vaters und einer spanischen Mutter, entführte ihre Zuhörer mit Interpretationen von Astor Piazzolla auch in die leidenschaftliche Welt des argentinischen Tangos oder gab einige italienische "canzoni" zum Besten.
Das Publikum dankte dem Ensemble nicht nur dadurch, dass es sich nicht lange bitten liess, mitzusingen. Es geizte am Schluss und während des Konzerts auch nicht mit Applaus und Bravo-Rufen.