Zürcher Oberländer



Musikalische Botschafter aus Paris



Mit französischen Chansons war die Sängerin Clara Moreau und Band zu Gast im Sternenkeller Rüti

"Un jour, tu verras - on se rencontrera" singt Clara Moreau, ein Lächeln auf den Lippen, eine neue Begegnung versprechend, auf den Zufall bauend. Mit Chansons à la française verwöhnte sie am Sonntagabend das zahlreich erschienene Publikum im Sternenkeller Rüti.
Nach dem Gusto des Publikums hätte sie zum Schluss wohl noch weit mehr als zwei Zugaben singen dürfen. Nach dem "Déserteur" und dem Besingen von Paris, das erwacht, erntete Clara Moreau immer wieder stürmischen Applaus. "À la française" hatte sie die dicht gedrängt sitzenden Gäste im Sternenkeller in die Welt des Chansons, der Liedermacher, der Weltbeschreiber entführt. Keiner wollte danach so schnell in die Wirklichkeit zurück.

Packende Stimmung

Mit ihrer tief-dunklen Stimme wusste Clara Moreau ihr Publikum zu packen, schuf eine dichte Spannung. Einmal gebrochen deutsch sprechend, dann wieder französisch kündigte sie ihre Lieder an, die sie perfekt akzentuiert, gut ausformuliert, einmal fast nur sprechend, dann wieder singend mit sonorem Timbre darbot. Allein mit sparsamen Akkordeonklängen oder zusammen mit ihren Musikern bestritt sie ein facettenreiches Programm.

Vergessene und neu zu entdeckende Seiten

Vergessene Seiten des Lebens wollte sie mit berühmten Chansons wieder aufschlagen, weniger bekannte Lieder, die es noch zu entdecken gilt, neu präsentieren. Clara Moreaus Stimme ist überraschend stark, verrät flammende, kämpferische Glut wie auch eine unergründliche Seite der "femme fatale". Sie singt verspielt und übermütig, mit listigem, spitzbübischem Blickkontakt zum Publikum, wie auch mit überzeugendem, aufgebrachtem Parlieren über die Welt und ihre ungerechten Seiten.
"Les bourgeois c'est comm' les cochons" lautet der Refrain von Jacques Brel derb. "La mammà", die italienische Mama, die bald sterben wird, erhält ihren Ave-Maria-Gesang durch Worte und Musik von Charles Aznavour.




Von Thomas Fersen ist die temperamentvolle "Louise", lyrisch, mit herbem Grundton, wird "der Alte, le Vieux" von Claude Lemesle besungen. Léo Ferré steuert die Musik zu den Poèms von Louis Aragons "Est-ce ainsi que les hommes vivent?" bei. Hier besonders liess Clara Moreau die französische Sprache in ihrem Tonfall weit ausklingen,
und das Dramatische kratzte die sonst so klare Stimme richtig auf.

Entfesselte Glut, raue Stimme...

Beschwippst an der Bar zu sitzen und über Katie zu lamentieren, die ihn, den Sänger, wohl verlassen hat, gelang Clara Moreau ebenso spitzig wie auch die Geschichte über den "Vecchio frack", mit italienischem Text und der Musik von Domenico Modugno. Sprachliche Ausflüge nach Mexiko oder in entfesselter Glut nach Buenos Aires gaben der Sängerin nochmals Gelegenheit, sich ausdrucksmässig zu steigern.
Einfache Refrains aus Film oder Melodisches aus der Chanson-Welt wechselten mit melodramatischen Darbietungen. Zu "La Bohème" von Charles Aznavour "schnallte" Clara Moreau das Akkordeon um die Taille und setzte sich in Gedanken auf die Stufen des Montmartre, liess sich im Quartier Latin in Paris nieder und überbrachte von dort jene frühlingshafte Stimmung, die nur schon der Name Paris in sich trägt.

...und pariserischer Charme

Clara Moreau erinnert entfernt an Edith Piaf, ist aber eine eigenständige starke Persönlichkeit, hat eine Stimme, die männlich rau klingen kann und sich gleich darauf parischerischer charmant verwandelt, mit poetischem Ausdruck einschmeichelnd klingt. Mit französischem und spanischem Blut in den Adern und in Paris geboren, ist die Sängerin ganz und gar musikalische Botin ihrer Heimat, hat sich klug mit Musikern zusammengefunden, die sie unterstützend begleiten. Marino Bernasconi übernimmt die Klavierparts, Andreas Ochsner spielt am Violoncello. An den Perkussionsinstrumenten agiert Mario Marchisella.

Temperamentvolle Sängerin

Wie auf dem Cover ihrer neuen CD "Ces gens-là" hüllte sich Clara Moreau auch während ihres Auftritts in einen langen hellen Schal, der ihre Vitalität mit weichen Wellen optisch etwas besänftigen sollte. Keine Chance: Die Sängerin konnte - halb Bohémienne, halb Grande Dame - ihren lebhaften Blick und das aus allen Fasern sprühende Temperament nur mit Singen im Zaum halten. Das Publikum liess sich von ihrer Musik forttragen und schwelgte geniesserisch in der Welt des Chansons.

Susi Hofmann
Zürcher Oberländer, 25.2.03