10. Juli 2003 Fricktaler Bote

Chansons pur im Meck-à-Frick


Lieder von Ferré, Brassens, Aznavour und Astor Piazzolla



(Is) Ein Hauch von Paris wehte Samstags durch den ausverkauften Garten des Meck-à-Frick. Die stimmgewaltige, in Frick lebende Französin Clara Moreau überzeugte mit einem breiten Repertoire an Chansons.

Mit einem "furchtbaren Zufall" begann Clara Moreau ihr Konzert in Frick: Mit der Geschichte "ihres" Onkels, der Bomben bastelte, damit ungewollt die halbe Regierung in die Luft sprengte und danach zum Minister wurde. Das Lied nach dem Text des berühmten französischen Poeten Boris Vian fesselte das Publikum bereits bei den ersten Tönen. Moreau lebt schon seit geraumer Zeit in Frick und genoss es, einmal in ihrer Wahlheimat auftreten zu können. In leicht holprigem Deutsch, aber mit einem leuchtenden Augenzwinkern meinte sie, eine halbe Stunde vor dem Auftritt noch im eigenen Badezimmer zu sein, sei ein unglaublicher Luxus. Begleitet von ihrem Hund und drei fantastischen Musikern eroberte sie das zahlreich erschienene Publikum im Sturm. Mit ihrer tief-dunklen Stimme wusste die Chanteuse-Accordéoniste ihr Publikum zu packen und schuf eine dichte Spannung. Ihre unglaubliche Gestik und Mimik erinnert an Dimitri, ihre Stimme an die Treppenstufen des Montmartres, das Quartier Latin und an Nächte an der Seine. Einmal gebrochen deutsch sprechend, dann wieder französisch kündigte sie ihre Lieder an, die sie perfekt akzentuiert vortrug, einmal fast nur sprechend, dann wieder singend mit sonorem Timbre - Lieder von Serge Gainsbourg, Jaques Brel, Charles Aznavour, Serge Reggiani und anderen Grössen des Chansons. Sie sang verspielt und übermütig, immer mit fast spitzbübischem Augenkontakt zum Publikum, Lieder über die Liebe, über Einsamkeit, Bürgerlichkeit und alltägliche Dramen. Das Lied vom Sänger, der beschwipst an der Bar sitzt und über Katie lamentiert, die ihn gerade eben verlassen hat, sang Moreau ebenso spritzig wie die Geschichte über den "Vecchio Frack", einem italienischen Canzone von Domenico Modugno.

Abstecher nach Lateinamerika
Mit ihren Interpretationen spanischer und argentinischer Lieder bewies die Sängerin ihr grossartiges Talent. Sozusagen "Back to the Roots" - ihre Mutter stammt aus dem spanischen Alicante, der Vater aus den Minengebieten Nordfrankreichs - war ihr Abstecher nach Argentinien mit einer musikalischen Hommage an Astor Piazzolla, dem Nestor des Tango nuevo; damit brachte die Sängerin das Publikum zum Toben. Mit "Balada para un loco" kam ihre rauhe und grossartige Stimme voll zum Tragen, entfesselte Glut in Buenos Aires kam da zum Vorschein. Mit "Ces gens-là" von Jacques Brel und "Est-ce ainsi que les hommes vivent?" von Leo Ferré nach einem Gedicht von Louis Aragon kamen sodann nachdenkliche und sozialkritische Lieder an die Reihe – Lieder, in denen Clara Moreau die französische Sprache in ihrem Tonfall weit ausklingen und ihre sonst so klare Stimme richtig aufkratzen liess. Moreau bot auch viele bekannte Chansons dar. So zum Beispiel "la Bohème" von Aznavour, zu dem sie sich selbst mit dem Akkordeon begleitete. Zum Gelingen dieses Konzertes trugen aber auch ihre Begleitmusiker Marino Bernasconi am Piano, Mario Marchisella, Percussion und der grossartige Cellist Andreas Ochsner bei. Sie bestachen durch ihre Musik und Witz und, nicht zuletzt, mit ihrem schon fast eunuchenhaften Begleitgesang.

Mut zum Pathos
Die Welt der Chansons verlangt von den Interpreten und Interpretinnen viel Pathos, aber auch ein untrügliches Gefühl für Zurückhaltung an den richtigen Stellen. Nur so werden die reizvollen Spannungsbogen dieser Lieder deutlich, ohne dass das dramatische Element überhand zu nehmen droht. Moreau beherrscht diese Technik perfekt. Sie scheut sich nicht, bisweilen ausserordentlich kräftige Akzente zu setzen. Selbst dann, wenn die Sängerin auf ihrer musikalischen Reise der Melancholie begegnet, läuft sie nie Gefahr, kitschig zu wirken. Mit ihrem Mut zum Pathos, ihrer unglaublichen Gestik und Mimik ist sie Chanteuse pur. Sie singt ihre Lieder nicht nur, sie erweckt sie zum Leben. Dies bewies sie Samstagabend auch bis zum Schluss des Konzertes. Nach dem Gusto des Publikums hätte sie wohl bis in die frühen Morgenstunden singen können. Nach dem »Déserteur" von Boris Vian und dem Besingen des erwachenden Paris erntete die Künstlerin stürmischen Applaus. In und mit ihr hat das Fricktal eine wahrlich grosse - wenn auch französische - Stimme.